Die Templer hatten ein Problem: Waren sie doch früher alle adliger Herkunft, so mussten sie aufgrrung ihrer gewaltigen Expandierung in ihren Ansprüchen zurückstecken. Dadurch wurde der Orden für nahezu jeden, der das 18. Lebensjahr vollendet hatte, erreichbar. Die wenigen Voraussetzungen waren eine Angehörigkeit der katholischen Kirche sowie keine Verschuldung und die Ledigkeit. Die Aufnahme war in zwei Abschnitte unterteilt. Erst wurde man temporär aufgenommen und in eine Probezeit beim Orden eingeführt. Verhielt man sich richtig, konnte man danach die endgültige Aufnahme in den Orden erwarten.
Um den tatsächlichen Ablauf des Aufnahmerituals kursieren viele Mythen, was es erschwert, Wahrheit von Schwindel zu trennen.
Das Ritual, in der Form, wie ich es hier schilder, geht zurück auf die Aussage von Gerhard von Caux (1311):
„Nach der Morgenmesse führte man uns, mich und zwei weitere Kandidaten, in eine kleine Kapelle des Ordenshauses. Dort traten zwei Gebetsbrüder auf uns zu und fragten: ,,Begehrt ihr die Gemeinschaft des Templerordens und wollt ihr an seinen geistlichen und weltlichen Werken teilnehmen?" Ich bejahte dies. Einer der Brüder fuhr fort: ,,Ihr seht nur den schönen Glanz des Ordens (...), ihr denkt, ihr hättet ein gemütliches Leben bei uns (...), doch es ist ein großer Schritt: Ihr macht euch zum Diener eines anderen (...).Nach den Formalitäten hatten wir eine kurze Bedenkzeit und wurden dann vor den Meister geführt. Wir knieten nieder und sprachen die Formel: ,,Herr, wir sind vor Euch und vor die Brüder getreten, die mit Euch sind, um unsere Aufnahme in die Gemeinschaft des Ordens zu erbitten." Dann ließ der Meister uns auf ein ,,gewisses Buch" schwören: ,,Ich gelobe bei Gott und der Heiligen Jungfrau Maria, dass ich dem Meister stets gehorchen werde, dass ich die Keuschheit, die Gebräuche und die guten Sitten des Ordens einhalten werde, dass ich besitzlos leben werde und nur das behalte, was mir mein Oberer gibt, dass ich alles Mögliche tun werde, das zu bewahren, was im Königreich Jerusalem erworben wurde, dass ich mich niemals dort aufhalte, wo man Christen tötet, ausraubt oder um ihr Erbe bringt. Wenn mir Güter des Tempels anvertraut werden, so wache ich gut über sie. Und ich gelobe, den Orden niemals ohne den Segen meiner Vorgesetzten zu verlassen." Damit war die Aufnahme vollzogen. Wir neuen Brüder wurden aufgerichtet und vom Meister und dem Kaplan auf den Mund geküsst. Schließlich schärfte der Meister uns noch die wichtigsten Verhaltensregeln ein .“

Der Aspekt, der uns heutzutage an diesem Ritual am meisten suspekt ist, ist mit Sicherheit der Kuss auf den Mund. Schließlich war einer der Anklagepunkte gegen die Tempelritter die Homosexualität. Jedoch muss man den Kuss in diesem Fall als Symbol des Friedens deuten. Ungeklärt bleibt die Frage, welches das „gewisse[...] Buch“ sein soll. Möglicherweise die Bibel, jedoch spuckten die Rekruten laut anderer Theorien im Verlaufe des Aufnahmerituals auf diese.
Vermutlich wird dieser sagenumwobene Akt nie gänzlich aufgeklärt werden, aber ich denke, dass all die bösen Anschuldigungen gegen die Templer nur ein Mittel zum Zweck innerhalb der Anklage war.